Visuelle Unternehmenskommunikation: Ein Plädoyer für mehr Mut.

Es scheint irgendwie so, als stünden wir vor allem in einem unternehmerischen Kontext zuweilen vor dem großen Problem, dass wir immer häufiger lediglich bedeutungslose Imagevideos oder inhaltsleere Stockfotografie zu Gesicht bekommen. Eine visuelle Differenzierung und die viel beschworene eigenständige visuelle Identität lässt sich zu einem beträchtlichen Teil nicht mehr erkennen. Alles verschwimmt, wirkt austauschbar und belanglos. Doch woran mag das liegen? Ein Plädoyer für mehr Mut!

Autor: Ingo Fritsch

Wenn wir also zunächst davon ausgehen, dass sich die zugrundeliegenden gesellschaftlichen Denkstrukturen aufgrund der Dominanz des Visuellen wandeln, dann ist es weit mehr als nur verwunderlich, dass sich eine solch visuelle Inhaltsleere im betrieblichen Kontext überhaupt etablieren konnte. Natürlich, wer Emotionen zeigt, wer die Wahrheit portraitiert, dem ist es möglich Authentizität zu säen, erntet aber gleichzeitig auch die Konfrontation mit einer unkalkulierbaren und zuweilen unbeherrschbaren Anzahl an Kritikern. Deshalb ist es eben nicht mehr verwunderlich, dass aus dieser Verunsicherung heraus ein tiefgreifendes Bedürfnis entsteht, den mitunter daraus entstehenden Kontrollverlust zu kompensieren. Es bleibt also nur noch eins: Wir, als Unternehmen, erliegen dem Versuch, uns weniger angreifbar zu machen, verlassen uns eben auf bedeutungslose visuelle Inhalte, die aufgrund ihrer Inhaltsleere möglichst wenig Anschlusskommunikation zulassen. Die Gefahr: Wir unterscheiden uns nicht mehr von unseren Mitbewerbern. Wir erzählen keine mitreisenden Geschichten mehr. Gehen nicht mehr an die Grenzen unserer historisch gewachsenen Sehgewohnheiten, um zu überraschen, zu gefallen oder den Diskurs anzuregen. Wenn wir das aber nicht mehr tun: Wie können wir dann Identität erschaffen, wie verlässliche Loyalität? Unternehmen benötigen Mut: Mut in der Darstellung, Mut ehrliche Geschichte zu erzählen, Mut in den Dialog zu treten, Diskurse aufzubrechen und Charakter zu zeigen sowie den Mut, sich auch visuell ganz deutlich von seinen Mitstreitern zu differenzieren.

Damit sind wir auch beim eigentlichen Thema: Eine erfolgreiche Differenzierung kann - vor allem im unternehmerischen Kontext - grundsätzlich nur auf der Kommunikation funktionaler wie auch emotionaler Alleinstellungsmerkmale beruhen. Erst dann kann innerhalb der subjektiven Wahrnehmung des Betrachters ein unverwechselbares, wie auch eigenständiges Profil entstehen. Problematisch ist das heutzutage nur dahingehend: Vormals genügte noch eine Differenzierung auf Basis der eigenen Leistung, in unserer heutigen Gesellschaft führen immer gleiche und damit austauschbare Produkte zu der zwingenden Notwendigkeit, die Kommunikation emotionaler Alleinstellungsmerkmale voranzutreiben. Deren vorrangige Bestimmung ist es dann, die zugrundeliegende Identität eines Unternehmens als wesentliches Differenzierungsmerkmal zu übermitteln. Dabei muss einem klar sein, dass ein Unternehmen „zwar seine Identität kreieren, verändern, beeinflussen und projizieren kann“ (Berzler, 2009, S. 80), die Deutungshoheit dieser obliegt allerdings eindeutig dem Konsumenten. Alleine schon das macht deutlich, dass der strategischen Positionierung auf Basis eines langfristig gedachten Markenimages eine tragende Rolle bei der Etablierung eines kaum zu imitierenden emotionalen Zusatznutzen zukommen muss. Wir müssen es also irgendwie schaffen, Aufmerksamkeit zu generieren und das gewohnheitsmäßige Verhalten eines Rezipienten zu durchbrechen. Mit inhaltsleeren visuellen Stimuli wird das nicht funktionieren. Es geht letztendlich um nichts anderes, als das Betrachtungsverhalten der anvisierten Zielgruppe in die von einem Unternehmen gewünschte Richtung zu kanalisieren.

Als Folge der skizzierten Entwicklungen dürfte sich die Erzeugung von Sinn also auch im unternehmerischen Kontext zunehmend von den bisweilen stark vertretenen Sprechhandlungen emanzipieren und den Drift in Richtung Zeichenhandlung vollziehen. Schon alleine deshalb, weil dem Visuellen ein weitaus größeren Einfluss auf die menschliche Emotion zugeschrieben wird.

Für die unternehmerische Anwendung Visueller Kommunikation ist allerdings die, in ⤳ vorherigem Artikel gegebene Definition, im Handlungsfeld unternehmerischer Kommunikation zu adaptieren. Alleine bereits deswegen, da wirtschaftliche Einheiten grundsätzlich in einem Spannungsfeld interner und externer Bezugsgruppen kommunizieren, wobei die Übermittlung unternehmensrelevanter Bedeutungsinhalten häufig auf eine persuasive Absicht reduziert werden kann. Denn sie soll meist gemäß spezifischer Zielsetzungen meinungs-, einstellungs- erwartungs- wie auch verhaltenssteuernd wirken. Mit diesen kommunikativen Handlungen wird damit also, abstrakt gesprochen, in gewinnorientierten Wirtschaftseinheiten ein Beitrag zur Aufgabendefinition und -erfüllung geleistet. Die Kommunikation entsprechend definitorischer Inhalte erfolgt in diesem Kontext also weniger verbal als visuell. Im kommunikativen Kontext sind die visuell zu übermittelnden Bedeutungsinhalte allerdings durch die Kodierung dieser in visuellen Zeichen, deren Aufgabe eine objektivierende Repräsentation ist, determiniert. Sie müssen entsprechend so gestaltet werden, als dass sie sowohl seitens des Kommunikators wie auch seitens des Rezipienten dechiffrierbar bleiben und gleichzeitig die Fähigkeit besitzen, eine visuelle Identität aufbauen wie auch erhalten zu können.

Dem Ausdruck der Visuellen Unternehmenskommunikation inhärent ist also die formale wie auch inhaltliche Verschmelzung der beiden Felder: Nämlich das der Visuellen Kommunikation und das der unternehmerischen Kommunikation. Dies hat zur Folge, dass die bereits ⤳ gegebene Definition Visueller Kommunikation im Kontext unternehmerischen Handelns zwar eingeschränkt, aber keinesfalls erweitert werden muss: Der Bezugsrahmen des Ausdrucks ist zwar auf das Handlungsfeld der Unternehmenskommunikation zu limitieren. Allerdings liegt hier per Definition bereits ein uneingeschränkter Objektbezug vor. In summarischem Bezug beschreibt die Visuelle Unternehmenskommunikation damit die strategische Botschaftsvermittlung im Dienste kurz-, mittel- und/oder langfristiger ökonomischer wie auch außerökonomischer Ziele, die auf sämtlichen dem Unternehmen zur Verfügung stehenden visuellen Kommunikationsformen beruht. Darunter werden also sämtliche visuelle Stimuli zusammengefasst, die einer gewinnorientierten Wirtschaftseinheit zur Vermittlung gezielter Kommunikationsinhalte dienen können. In Anlehnung an den Objektbezug Visueller Kommunikation zählen dazu sowohl Bilder als auch grafische Zeichen mit Form und Farbe sowie sämtliche visuell gestaltbare Kommunikationsmittel, darunter Plakate, Imagebroschüren, Werbefilme, Internetauftritt, Social Media, Dienstkleidung, Fahrzeuggestaltung genauso wie die Innen- und auch Außenarchitektur sowie die formale, aber nicht inhaltliche, typografische Gestaltung. Einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt diese Aufzählung nicht, da mitunter jeder Gegenstand einer ursprünglichen Gestaltung unterliegt und damit als ein, im Einsatz befindliches visuelles Objekt einem grundsätzlich intendiertem Kommunikationsziel dient.

Um aber darauf aufbauend langfristig-strategische wie auch konkret-operative Kommunikationsziele zu erreichen, ist der Rückgriff auf semiotisch hochwertige visuelle Stimuli nötig. Darunter zu verstehen sind visuelle Konfigurationen, welche

  • die zu kommunizierende Botschaft in sich codieren und damit über einen starken Bedeutungsinhalt verfügen,
  • entsprechend intendierte emotionale Qualitäten kommunizieren,
  • bei den Rezipienten gewünschte Assoziationen hervorrufen und
  • die sich gleichzeitig für die entsprechende Zielgruppe als adäquat erweisen und von dieser decodiert werden können.

Entsprechend sollen als semiotisch hochwertig nur solche visuellen Objekte bezeichnet werden, die neben einer oberflächlichen Abbildung im Sinne einer Ähnlichkeit mit dem bezeichneten Objekt (Ebene der Denotation) auch über die intendierte symbolisch-assoziative Botschaft (Ebene der Konnotation) verfügen. Das führt aber zwangsweise zu der Notwendigkeit bei der Auswahl visueller Objekte sowohl auf die Wirkung im Detail wie auch auf die visuelle Konfiguration im Ganzen zu achten. Möglich wird dies durch einen holistischen Ansatz, der auf den Prinzipien der Integrierten Kommunikation basiert. Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf die Dimensionen formaler, inhaltlicher und zeitlicher Integration über sämtliche dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Kommunikationskanäle zu legen. Kann dies nicht gewährleistet werden, so besteht die Gefahr, dass durch unterschiedliche Zuständigkeiten verschiedenster Abteilungen und Agenturen die kommunikative Aufgabenstellung nicht optimal erfüllt werden kann. Keinesfalls soll dabei der Eindruck geweckt werden, dass Kommunikation über visuelle Stimuli getrennt von den übrigen kommunikativen Aktivitäten erfolgen soll. Praktisch sämtliche kommunikativen Maßnahmen haben als Synthese von Inhalt und Form, also als Kombination von Auditivem, Textlichem und auch Visuellem, zu erfolgen.

Der Ausdruck der Visuellen Unternehmenskommunikation vereint damit bewusst die zunächst einmal unabhängigen Konzepte von Branding, Corporate Identity, sowie Corporate Design wie auch Werbung und Public Relations inhaltlich zu einem Begriff der Corporate (Brand) Identity und stärkt damit eine identitätsorientierte Unternehmensführung. Im Mittelpunkt steht dabei der Transformationsprozess einer Unternehmensstrategie, abgeleitet aus der Corporate (Brand) Identity, hin zu einer visuellen Form, welche sich in zwei Hauptkomponenten manifestiert: Dem Corporate Design mit seinen Designvorgaben für sämtliche kommunikative Handlungen und dem Kommunikationsdesign, welches je nach kommunikativem Akt und Kontext unterschiedliche Kommunikationsmittel einzusetzen versucht. Damit ist ein erstaunlichen Beitrag zur Stärkung entsprechend visueller Konzepte geleistet und damit den Weg geebnet, das Feld der Visuellen Kommunikation mitunter als strategisches Instrument der Unternehmenskommunikation anzusehen. Habt Mut, dieses Instrument auch gewinnbringend und in seiner vollen Stärke einzusetzen.

Quellen

  • Berzler, A. (2009). Visuelle Unternehmenskommunikation. Studienverlag Ges.m.b.H.
  • Berzler, A. (2019). Visuelle Unternehmenskommunikation. Visuelle Kommunikation als strategisches Instrument der Marken- und Unternehmenskommunikation. In K. Lobinger (Hrsg.), Handbuch Visuelle Kommunikationsforschung. Springer VS.
  • Bruhn, M. (2005). Unternehmens- und Marketingkommunikation. Handbuch für ein integriertes Kommunikationskonzept. Vahlen.
  • Esch, F.-R. (2016). Markenpositionierung als Grundlage der Markenführung. In F.-R. Esch (Hrsg.), Moderne Markenführung. Springer Reference Wirtschaft (4. Auflage). Springer Gabler. Kirchner, K. (2001). Integrierte Unternehmenskommunikation. Theoretische und empirische Bestandsaufnahme und eine Analyse amerikanischer Großunternehmen. Westdeutscher Verlag.
  • Kroeber-Riel, W., & Gröppel-Klein, A. (2019). Konsumentenverhalten (11. Auflage). Verlag Franz Vahlen
  • Lobinger, K. (2012). Visuelle Kommunikationsforschung: Medienbilder als Herausforderung für die Kommunikations- und Medienwissenschaft. Springer SV.
  • Müller, H. (2007). Die Wirkung der Marke auf die Produktwahrnehmung - Empirische Befunde von Produkttests im deutschen Zigarettenmarkt. FEMM, Faculty of Economics and Management Magdeburg, Working-Paper-Series.
  • Rauterberg, H. (2019, November 6). Unfrei frei. https://www.zeit.de/2019/46/meinungsfreiheit-oeffentlichkeit-internet-moral-aufmerksamkeit/komplettansicht
  • Sachs-Hombach, K., & Schirra, J. R. J. (2009). Medientheorie, visuelle Kultur und Bildanthropologie. In K. Sachs-Hombach (Hrsg.), Bildtheorien. Anthropologische und kulturelle Grundlagen des Visualistic Turn. (S. 393–426). Suhrkamp Verlag AG.
  • Zerfaß, A. (2004). Unternehmensführung und Öffentlichkeit. Grundlegung einer Theorie der Unternehmenskommunikation und Public Relations. (2. ergänzte Auflage). Verlag für Sozialwissenschaften.
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