Wir sitzen in einem Café, reihum werden fleißig Ansichtskarten geschrieben. Wir bekommen eine Karte unseres Begleiters in die Hände und lesen seinen Text: “Wetter gut, Hotel wunderbar, Essen vorzüglich. Sonnige Grüße”. Wann auch immer ein Stift auf die Rückseite einer Ansichtskarte trifft, dann scheint sich der jeweilige Verfasser mit größter Wahrscheinlichkeit auf recht erinnerungsträchtigsten Momente zu besinnen. Belustigt ziehen wir ihn auf. Er verteidigt sich: “Meine Oma ist zufrieden”.
Autor: Ingo Fritsch
“Es ist ein angenehmes Gefühl, auf dem Rücken zu liegen und den leichten, weißen Wolken nachzueifern mit reiselustigen Gedanken”
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Paul Zech
sondern zunehmend Sammelobjekt und persönliches Ausdrucksmedium. Sie wird damit zum Spiegelbild der eigenen Identität, ihrer individuellen Assoziationen und Sehnsüchte oder einfach nur zum Träger einer ganz persönlicher Erinnerung.
Sie dient zunächst einer schriftlichen, erst später (ab Mitte der 1870er) auch der illustrierten Korrespondenz. Erst zaghaft begannen Bilder die Schreibseite zu zieren, bevor die Rückseite (wie noch heute) zum alleinigen Bildträger wurde. Vermehrt übernimmt sie die Funktion eines berichtenden Mediums - sie fängt an, uns Bilder zu zeigen und wird dadurch zu einem Ausdruck einer persönlichen, mitunter visuellen Weltsicht.
In Österreich begann der Siegeszug der Postkarte etwas früher als in Deutschland. Die Befürchtung im Nachbarland (wie so häufig, wenn neue Kommunikationsmedien Fuß fassen): Durch den Wegfall von Höflichkeitsfloskeln, die auf Postkarten überflüssig geworden sind, sorgte man sich um die Verrohung der Sprache, hatte Angst, dass ein Stück Sprachkultur verloren ginge. Ein Schelm, wer hier Parallelen zu den aktuellen Diskussionen um WhatsApp und den Sozialen Medien ziehen möchte.
Diese Entwicklung führt uns auch zu neuen Formen im Umgang mit dem Medium der Ansichtskarte. Die Gewöhnung an den Wegfall obligatorischer Mitteilungen verlagert die Botschaft auch hier rein auf das visuell Kommunizierte - auf das Motiv der Vorderseite. Das Gezeigte (und hier beziehe ich auch die grafische Aufbereitung von Sprüchen und Zitaten mit ein) wird damit zum Ausdruck einer ganz eigenen Identität, ihrer individuellen Assoziationen sowie Sehnsüchte oder einfach nur zum Träger einer ganz persönlicher Erinnerung - Festgehalten auf etwas Beständigem.